The New Raw: waste no more

The New Raw, Interview: Nora Palzenberger

From trash to treasure: Panos Sakkas und Foteini Setaki vom Niederländischen Forschungs- und Designstudio The New Raw verwandeln Plastikmüll mittels 3D druck in formschöne und funktionale Objekte. Mit THE Stylemate sprechen die beiden Architekten über die Zusammenarbeit mit Robotern, Abfall als Rohstoff und ihre Vision einer Zukunft ohne Verschwendung.

Was sehen Sie, was ich nicht sehe, wenn Sie Müll am Strand oder Straßenrand entdecken?

Panos Sakkas & Foteini Setaki: Plastikmüll ist überall, in unseren Städten, der Natur und den Ozeanen. Das erinnert uns ständig daran, dass Verschmutzung durch Kunststoffabfälle das Resultat eines Designfehlers ist – Plastikverpackungen werden nur einmal verwendet und dann weggeworfen. Für uns ist dieses Material zur Inspiration für nachhaltige Objekte und Produkte geworden, die Geschichten und Botschaften mitbringen. Es ist unsere Mission, Plastikmüll in ein wertvolles Material zu verwandeln, das behalten, wiederverwendet oder recycelt und nicht einfach sofort gedankenlos weggeworfen wird.

The New Raw

Was antworten Sie jemandem, der Sie als moderne Alcheimisten bezeichnet?

Wir glauben fest daran, dass es bald die neue Norm werden wird, Abfälle als Rohstoffe zu betrachten. Und Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft werden zu Standardeigenschaften von Designprodukten werden. Was manche Menschen Alchemie nennen, nennen wir die kunsthandwerkliche Gestaltung von Plastikabfall mit Robotern.

Erinnern Sie sich an den Moment und Ihr Motiv, das Sie dazu bewogen hat, mit recycelten anstelle von neuen Materialien zu arbeiten?

Ja, das war der Moment, in dem The New Raw geboren wurde. Kunststoff ist ein vielseitiges Material und Plastikmüll ist im Überfluss vorhanden! Wir sind Griechen und leben in den Niederlanden, wir haben also gesehen, wie zwei unterschiedliche Kulturen mit diesem Material umgehen. Das hat uns dazu inspiriert, das Problem der Kunststoffverschmutzung anzupacken. Die Frage war, wie erwecken wir das vorhandene Material zu neuem Leben? Um den Abfall in einen neuen Rohstoff zu verwandeln, haben wir uns dann für digitale Handwerkskunst entschieden. Seit 2015 arbeiten wir damit.

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Was ist der ästhetische Wert von Kunststoffmüll?

Wir transformieren Plastikabfall in etwas Neues, indem wir ihn mithilfe von Robotern kunsthandwerklich gestalten. Es gibt definitiv einen ästhetischen Wert von Kunststoffmüll und wir arbeiten daran, noch mehr Möglichkeiten zu schaffen, wie wir ihn nutzen und Entwürfe kreieren können, von denen man kaum glauben kann, dass sie aus Materialabfällen entstanden sind. Sobald recyceltes Plastik in den 3D-Druck-Prozess eintritt, wandelt es sich zu einem anderen Material mit charakteristischen Eigenschaften. Ähnlich wie die Maserungen von Holz oder die Musterungen von Marmor, definieren die Ausrichtung und die Proportionen unserer 3D-gedruckten Linien das Verhalten des Materials und bestimmen sein unverwechselbares Aussehen. Wir lieben es, mit Kunststoffabfall genau so zu arbeiten, als wäre es ein natürliches Material mit nicht perfekten und nicht homogenen Eigenschaften.

Für Ihre neue Kollektion The Elements haben Sie in Griechenland Plastik aus dem Meer gesammelt, es in Strandmöbel verwandelt und diese schließlich zurück an die Küste gestellt. Welche Botschaft steckt hinter diesem Designansatz?

In urbanen Regionen vergessen wir gerne unsere Abhängigkeit vom Meer, was Nahrung und Sauerstoffversorgung angeht. Mit The Elements wollten wir Plastik, das wir aus dem Meer gesammelt hatten, neues Leben einhauchen und nützliche und funktionale Objekte mit starkem Storytelling-Wert schaffen. Unsere Entwürfe sollen nicht nur schön und funktional sein, sondern auch immer eine Geschichte erzählen. Im Fall von The Elements ist die Form der Objekte von den Elementen inspiriert, die wir am Meer erleben oder vorfinden, etwa von den Wellen, Salzmustern im Sand oder den Körpern von Meeresorganismen. Ihre skulpturalen Formen bestehen aus weichen und welligen Oberflächen, die den Nutzer umschmeicheln und eine angenehme Atmosphäre schaffen. Wir wollten Objekte entwerfen, die aufgrund ihrer Form, Textur und Farbe nahezu natürlich anmuten.

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Für die Herstellung der Strandmöbel haben Sie 720 Kilogramm Plastikmüll verwendet. Was war die größte Herausforderung im Designprozess?

Eine Produktserie zu entwerfen, die sich nahtlos in die natürliche Meeres- und Strandumgebung einfügen und höchsten Klimakomfort in der Hitze bieten würde. Unsere Entwürfe beruhen auf unseren Beobachtungen lebender Organismen und Muster, geformt von Sand und Wasser in Küstengegenden. Diese Beobachtungen haben wir dann in unsere Designsprache und Produktionstechnik übersetzt. Die Auswahl und Handhabung des Materials sind Teil unseres kreativen Prozesses. In den vergangenen Jahren haben wir uns mit lokalen Partnern und Lieferanten zusammengetan, die uns auf diesem Weg begleiten. Seit 2015 hat sich die Anzahl der Unternehmen und Initiativen mit Sensibilität für Kunststoffverschmutzung erheblich erhöht!

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Die Strandmöbelserie wurde digital im 3D-Druckverfahren produziert. Was konnten Sie dadurch erreichen, was Ihnen mit traditionellen Herstellungsverfahren nicht gelungen wäre? Oder, in anderen Worten: Was können Roboter, was Menschen nicht können?

Plastik ist ein industrielles Material, das im Kunsthandwerk zuvor noch nicht verwendet wurde. Wir erforschen, wie unsere Roboter als verlängerter Arm unseres Designteams Kunststoffabfälle in Designobjekte verwandeln können. All unsere Entwürfe werden auf Nachfrage hergestellt und können, wenn gewünscht, maßgefertigt werden.

The New Raw
Im Warehouse Lab, dem Studio von Panos Sakkas und Foteini Setaki in Rotterdam, werden die außergewöhnlichen Entwürfe in ihren charakteristischen amorphen Formen und schichtartigen Strukturen mithilfe von Robotern im 3D-Druckverfahren zum Leben erweckt

Wenn Sie eine ökologische Revolution anführen könnten, was wäre deren Slogan?

Waste, no more!

Die Pandemie hat unsere Sicht auf unser Zuhause und unsere Einrichtung verändert. Drei Eigenschaften zukünftiger Möbel?

Lokal, nachhaltig, vielseitig.

The New Raw

Fotos: Courtesy of The New Raw, Michele Margot

Das diesjährige Expo-Motto lautet „Connecting Minds, Creating the Future“ – wie kann Design Menschen verbinden und die Zukunft mitgestalten?

Wir glauben, dass Design Thinking die großen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen und durch Co-Kreation und einen multidisziplinären Ansatz überzeugende Lösungen bieten kann.


The New Raw

PANOS SAKKAS UND FOTEINI SETAKI Gründeten 2015 das in Rotterdam ansässige Forschungs- und Designstudio The New Raw.

Ihre Vision: Abfallmaterial mithilfe von Design, Robotern und Kunsthandwerk neues Leben einzuhauchen.

Das mehrfach ausgezeichnete Architekten-Duo erforscht die Möglichkeiten des lokalen Recyclings von Kunststoffmüll und begeistert mit Projekten wie dem Zero Waste Lab oder Print your City! in Thessaloniki. In einem zirkulären Materialprozess entwirft und produziert The New Raw aus zuvor gesammelten Plastikabfällen unter anderem hochwertige Outdoor-Möbel, die von Robotern im 3D-Druck geplottet werden.

thenewraw.org