WAS IST DAS F***ING PROBLEM? Christian Redl ist sauer!

Auf Menschen, die ihren Müll beim Fenster rauswerfen. Auf all jene, die immer noch genüsslich Wasser aus Plastikflaschen konsumieren. Auf Politiker, die nur scheinbare Lösungen in Angriff nehmen. Und auf all jene, die aufgehört haben, nachzudenken und eigenverantwortlich zu handeln. Mit seinem Projekt „7Oceans“ möchte Christian Redl die Ozeane besser schützen. Nicht nur, weil er sie liebt, sondern weil unser aller Leben davon abhängt.

Interview: Nina Prehofer

Jeder zweite Atemzug kommt aus dem Meer.
Auch unsere Atemzüge.


Sind die Ozeane noch zu retten?

Ich war immer Optimist und werde es auch bleiben. Deswegen sage ich „ja, aber …“. Wir müssen uns meiner Meinung nach von unrealistischen Szenarien verabschieden, die leider in den aktuellen Diskussionen eher gehört werden. Wir brauchen Realismus, also Lösungen, die auch tatsächlich von den Menschen umgesetzt werden können. Für mich erscheint es sinnvoller, viele Menschen zu ein bisschen mehr Verantwortung zu bringen, als ein paar wenige, die ihren Lebensstil komplett verändern.

CHRISTIAN REDl

Ozeane werden meist „nur“ in Verbindung mit Plastikmüll gebracht. Das Problem, das wir haben werden, wenn wir auf die Ozeane nicht achtgeben, ist aber ein weitaus größeres.

In Österreich verstehen nur wenige Leute, warum auch wir vom Ozean abhängig sind. Der Horizont endet mit den Bergen und globale Zusammenhänge können scheinbar nicht nachvollzogen werden. Jeder zweite Atemzug kommt aus dem Meer. Auch unsere Atemzüge. Wir sollten dem Thema fairerweise mehr Aufmerksamkeit schenken. Bisher haben wir nur 3 % der Ozeane geschützt, das ist nichts! Unser Ziel ist es, bis 2030 30 % der Ozeane mit Schutzgebieten zu schützen. Und das ist die einzige Chance, die wir haben, denn das Klima wird zu einem großen Teil von den Ozeanen gesteuert.

CHRISTIAN REDl

Du bist Apnoe-Taucher, mehrfacher Weltrekordhalter, hast als Stuntman gearbeitet. Wie wurdest du zum Umweltaktivisten?

Ich bin das erste Mal mit 16 Jahren mit Flasche im Roten Meer getaucht. Seitdem war ich unzählige Male dort. Als Kind habe ich alle Filme von Hans Hass und Jacques Cousteau angeschaut und ich weiß, wie das Rote Meer in den 50er-Jahren ausgesehen hat und noch vor 30 Jahren. Die Veränderung bis heute ist schockierend!

Dann kam das Thema Plastikmüll verstärkt auf Social Media auf und ich habe den Film „For the love of the game“ von David Beckham gesehen. Er wollte etwas zurückgeben, weil er dankbar ist für das, was er in seinem Leben bekommen hat. Das hat mich inspiriert und mich zu meinem Projekt „7Oceans“ geführt. Auch ich möchte dem Meer etwas zurückgeben. Ich möchte das Sprachrohr der Ozeane sein. Und gleichzeitig eine Plattform für Lösungen bieten.

CHRISTIAN REDl

Bei 7Oceans sprecht ihr viele Themen an: die Verschmutzung der Meere durch Plastik, den Klimawandel und die daraus resultierende Korallenbleiche, Überfischung, Geisternetze, die Ausbeutung der Meere, Schiffswracks und die Praktik des „shark finning“. Bei dieser Vielzahl an großen Problemen – wo beginnt man und was hast du dir mit deinen Mitstreitern vorgenommen?

Wir wollen uns, wie der Name schon sagt, den sieben Weltmeeren widmen. Im Sommer beginnen wir mit den Dreharbeiten zu unserem Film. Wir werden in allen Weltmeeren tauchen und die Schönheit der Ozeane zeigen. Aber auch die Probleme. Wir wollen keinen Film machen, bei dem man als Seher am Ende ohnmächtig dasteht, abgestumpft ist oder nur mehr wegschauen will. Ich habe mir vorgenommen, auch Lösungsansätze zu zeigen und lege viel Wert darauf, an die Eigenverantwortung der Menschen zu appellieren.

Was regt dich am meisten auf ?

Dass die meisten keine Eigenverantwortung mehr übernehmen können. Dass wir über den Mars mehr wissen, als über die Ozeane. Dass es Menschen gibt, die meinen, Fische würden keine Schmerzen empfinden. Dass von der Politik vermeintliche Lösungen groß verkauft werden.

Man kann auch im Kleinen etwas tun und je mehr Menschen das machen, umso wirkungsvoller werden diese kleinen Maßnahmen. Ich bin überzeugt, es gibt zu jedem Problem eine Lösung.

Was meinst du damit?

Die E-Autos zum Beispiel. Jetzt sollen wir bis 2030 alle auf E-Autos umsteigen. Ich frage mich aber, ob ein Elektroauto mit seiner riesigen Batterie wirklich die Lösung sein kann? Wie kommen wir an die ganzen Teile? Indem wir die Tiefsee ausbeuten, auf der Suche nach Nickel und Ähnlichem und mit den freigesetzten Metallen die Meeresbewohner vergiften. Was machen wir mit unseren alten Diesel-Autos und Benzinern? Nach Afrika schicken! Dort sind sie dann plötzlich kein Problem mehr? Was machen wir mit den Akkus, wenn sie nicht mehr funktionieren? Was sind die Risiken bei einem Verkehrsunfall? Welche Auswirkungen hat der Akku auf unseren Körper, wenn wir darauf sitzen?

CHRISTIAN REDl

Meiner Meinung nach gäbe es vielversprechendere Lösungen als E-Autos, aber die Industrie hat so viel dafür investiert, dass sie jetzt auch ihre Gewinne damit machen will. Ich prophezeie: In zehn Jahren wird man uns sagen, das Elektroauto war leider nicht die Lösung. Wir setzen jetzt auf Erdgas oder E-Fuel.

Du sagst, der Hai ist für dich ein gutes Beispiel, anhand dessen man viel erklären kann. Erklär es mir bitte.

Wenn wir uns die Nahrungspyramide im Ozean anschauen, steht der Hai ganz oben. Haie sind die Regulatoren im Ozean, das heißt, es gibt nicht so viele von ihnen und sie pflanzen sich nur schwer fort. Die Natur hat sich dabei was gedacht, denn sie sind die Stärksten. Wenn man aber nun den Hai durch shark finning und anderes von der Spitze der Pyramide entfernt, dann hat man in der Reihe darunter eine zu starke Vermehrung. So beginnt der Teufelskreis.

Wenn alle keine Feinde mehr haben, stirbt die Nahrungskette komplett aus und dann sind die Riffe tot und leer. Und wenn der Ozean stirbt, stirbt der Mensch. Leider gibt es immer noch viel zu viele dumme Menschen, die nicht verstehen, dass der Hai unbedingt schützenswert ist.

CHRISTIAN REDl

Was ist das Problem bei den Ozeanen, warum schauen die Menschen zu wenig hin?

Das Problem ist, und das ist gleichzeitig auch Metapher: Wir stehen am Strand und schauen auf die Wasseroberfläche. Alles sieht schön aus. Aber darunter! Keine Fische mehr, weil sie durch Dynamitfischen komplett ausgeräumt wurden, keine Haie, weil sie trotz Verbot mit Longlines herausgezogen werden. Wir sind immer an der Oberfläche bei den Ozeanen, müssen aber untertauchen, um die Probleme zu sehen.

Den Garbage Patch nehmen die Menschen mittlerweile aber wahr.

Ja, und jetzt kann man sich vorstellen, wie es darunter aussieht. Das ist nur die Spitze des Eisberges. Aber kommen wir noch mal zurück auf die Probleme beim Schutz der Ozeane. Denn das meiner Meinung nach größte Problem ist, dass es sich um internationales Gewässer handelt. Es fühlt sich also niemand verantwortlich. Hier kann man mehr oder weniger ungehindert dynamitfischen, aber auch in den Schutzgebieten tricksen die chinesischen Fischer Schutzfunktionen aus und zerren hunderte Haie aus dem Wasser, um sie dann mit abgeschnittener Finne wieder bei lebendigem Leib ins Wasser zu lassen. Solange dort nicht Kriegsschiffe unter internationaler Flagge unterwegs sind und die Verbrecher sofort zur Rechenschaft gezogen werden, wird sich nichts ändern.

Was ist also zu tun?

Man muss den Menschen die Wahrheit sagen. Ich glaube, die Pole werden schmelzen und Städte an der Küste werden überschwemmt werden. Man sollte sich rechtzeitig überlegen, was man dagegen tut. Damit meine ich bauliche Lösungen oder Umsiedelungen. Die Wahrheit ist auch, dass wir zu viele Menschen auf diesem Planeten sind. Also verringert den Treibhausgas-Ausstoß drastisch, kauft keine Plastikflaschen mehr, esst weniger Fleisch, hört auf, den Müll in der Natur zu entsorgen.

Ich meine, was ist das f***ing Problem, seinen Müll in eine Mülltonne zu schmeißen? Und am Wichtigsten: nachdenken & verantwortungsvoll handeln.

Ich möchte das Sprachrohr der Ozeane sein.
Und gleichzeitig eine Plattform für Lösungen bieten.

CHRISTIAN REDl

CHRISTIAN REDl

Mehrfacher Weltrekordhalter im Freitauchen und Initiator von 7Oceans – for the love of the oceans.

Unter seiner Leitung wird die Organisation 7Oceans Reisen, Tauchgänge und Events organisieren, um Bewusstsein zu schaffen und Spenden zu sammeln, um die 7 genannten Probleme zu lösen. Die Reise mit 7 Tauchgängen in 77 Fuß in 7 Ozeanen wird der Startschuss für das Projekt sein.

Ein dokumentarisches Roadmovie zeigt die Schönheit der Ozeane und auch die Auswirkungen menschlichen Verhaltens.