KLECKERN IST DAS NEUE KLOTZEN: Ein Interview mit den leidenschaftlichen Hoteliers Michael und Philipp Madreiter vom Naturresort PURADIES in Leogang

PURADIES - Michael - Philipp

Alles verändert sich, auch die Hotellerie. Zwei, die diesen Prozess hautnah miterlebt und mitgestaltet haben, sind Michael und Philipp Madreiter, Brüder und Puradies-Hoteliers aus Leidenschaft. Gründe genug, um mit ihnen über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Branche zu sprechen.

The Stylemate: Wie hat sich die Hotellerie in den letzten Jahrzehnten verändert?

Philipp Madreiter: Wenn ich an unseren Betrieb von damals denke, dann hat sich eigentlich alles verändert. Es gab keinen Fernseher am Zimmer und das WC war am Gang. Das wäre heute unvorstellbar. Wenn man so will, war Urlaub früher bodenständiger. Obwohl der Wunsch nach Erholung immer derselbe geblieben ist. Und die Gäste genießen den freien Bergblick heute noch genauso wie vor 30 Jahren.

Michael Madreiter: Gerade wir in Leogang haben in den letzten Jahrzehnten einen riesigen Schritt in Richtung Qualität gemacht. Es gibt fast kein Hotel mehr unter vier Sternen. Die Betriebe selbst sind viel professionellergeworden. Generell muss man sagen, dass das auch notwendig ist, weil unsere Gäste natürlich viel mehr Reiseerfahrung mitbringen als früher. Vor 30 Jahren war der Urlaub hier in Leogang oft der einzige Urlaub. Viele unserer Stammgäste haben ihre Sommerfrische sowie ihren Winterurlaub bei uns verbracht. „Ein Leben lang Leogang“ war damals auch der Werbespruch. Heute geht’s beruflich und privat rund um die Welt. Dadurch „erreist“ man sich ganz neue, andere Lebens- und Urlaubserfahrungen und somit auch ein neues Level an Qualitätsbewusstsein, weil man aus der eigenen Erfahrung weiß, wie es anders und vielleicht auch besser gehen kann. Man kann den Tourismus vor 30 Jahren mit dem Tourismus heute überhaupt nicht mehr vergleichen. Das Wissen von damals hilft heute nur noch wenig. Was hingegen schon hilft: nicht zu vergessen, wo man herkommt. Ein besonderes Werteverständnis und Traditionsbewusstsein sind uns hier im Puradies extrem wichtig.

TS: Trägt die Digitalisierung auch zur Veränderung der Hotellerie bei?

MM: Und wie! Social Media spielt da eine große Rolle. Dadurch hat sich die Wahrnehmung des Urlaubsortes, des Hotels komplett verändert. Und soziale Medien sind nicht gleich soziale Medien. Da gab es in den letzten Jahren eine starke Evolution in der Nutzung und kaum eine Branche erfährt einen schnelleren, stärkeren Wandel. Anfangs war es die „Selfie-Manie“ mit „Duck-Face“ und Co. Danach ging es überwiegend darum, Momente und schöne Bilder zu sammeln. Heute wird es wieder relevanter, dass die geteilten Momente eine gewisse Bedeutung haben, also „meaningful“ sind. Das ist für mich eine sehr positive Entwicklung. Hier können wir als Familienbetrieb mit dem Erlebnis Puradies punkten. Uns fällt es leichter, authentische, bedeutsame Erlebnisse zu bieten, weil wir per se authentisch sind und einen Urlaub ermöglichen, der über den Standardurlaub hinausgeht, einzigartig ist und hoffentlich bei unseren Gästen lange in Erinnerung bleibt.

TS: Man kommt also wieder etwas weg von „höher, schneller, weiter“?

MM: In einigen Bereichen, ja. Aber beim Thema Wellness noch nicht. Da findet teilweise ein richtiges Wettrüsten statt, bei dem wir weder mitgehen wollen noch können. Wir schauen sehr stark auf ein gesundes Verhältnis zwischen notweniger Investition und nachhaltigem Umweltschutz. Damit wir nur das nehmen, was wir andererseits auch wieder zurückgeben können. Unser bäuerlicher Ursprung spielt natürlich eine große Rolle. Das sieht man auch bei unserem neuen Wellnessbereich. Ich würde das sogar so formulieren: „Kleckern ist das neue Klotzen“. Weil es in den Köpfen der Menschen schon angekommen ist, dass ein großer Pool, der im Winter dampft, mit Nachhaltigkeit gar nichts zu tun hat.

PM: Aber natürlich wollen und dürfen wir auch nicht stehen bleiben. Als Hotelbetrieb bist du vergleichbar. Aber: Alles muss mit Maß und Ziel passieren. Das ist uns wichtig.

TS: Wünschen sich die Menschen denn generell nicht eher wieder eine Rückkehr zu den Wurzeln?

PM: Absolut, daher lässt sich bei uns gehobene Hotellerie mit unserem bäuerlichen Betrieb auch so gut vereinbaren.  Wir haben 17 Kalbinnen, viele Schweine, Schafe, Zwergziegen, Hasen und Bio-Hühner. Wir mähen selber, machen Heu, streuen den Mist selber. Unser Stall ist nicht nur ein Streichelzoo, sondern eine echte, gelebte Landwirtschaft. Von der natürlich auch die Gäste profitieren.

MM: Beim Thema Kulinarik fällt uns auch auf, dass Einheimische sowie Gäste sich zurückbesinnen, regional erzeugte Produkte und Dienstleistungen wieder mehr Wertschätzung erfahren und biologisch produzierte Lebensmittel einen besonderen Stellenwert einnehmen. Auch konventionelle Produkte im Supermarkt sind mittlerweile nicht mehr „billig“. Und da es nicht mehr nur um den Preis geht, sondern auch der Megatrend „Gesundheit“ in den Fokus rückt, fangen die Menschen an, darüber nachzudenken, wo die Lebensmittel herkommen. Und ob man nicht gleich etwas kauft, wo noch Menschen dahinterstehen, die man kennt. Unsere Gäste schätzen sehr, dass zumindest ein Teil unserer Produkte aus der eigenen Landwirtschaft kommt und wir die regionalen Produzenten und Bauern stark unterstützen.

TS: Wird es dann auch wieder wichtiger, dass ein Haus nicht austauschbar ist, sondern sich seine Persönlichkeit bewahrt?

MM: Ich hoffe schon, dass man spürt, ob es ein konzerngeführtes oder ein familiengeführtes Haus ist, das eine Geschichte hat, hinter dem Menschen stehen, die seit Generationen mit dem Ort verwurzelt sind. Unsere Gäste fahren nicht nur ins Puradies, sie fahren auch zur Familie Madreiter.

PM: In Leogang gibt es tatsächlich ausschließlich Familienbetriebe. Da steht überall die Familie dahinter und arbeitet mit. Die Familie ist bei den einen mehr und bei anderen weniger sichtbar, aber bei uns hat man spätestens am zweiten Urlaubstag mindestens ein Familienmitglied getroffen. Ich finde das nach wie vor sehr wichtig. Und unsere Gäste melden uns auch zurück, wie sehr sie diesen Kontakt schätzen.

TS: Was wird denn noch wichtig in der Hotellerie der Zukunft?

MM: Nachhaltigkeit! Wir wollen nicht Teil des Problems sein, sondern mit Ideen zu Lösungen beitragen. So haben wir beispielsweise in der Coronazeit überlegt, wie wir die Produkte aus unserer Landwirtschaft sinnvoll verarbeiten können und unsere Produktlinie „Tilli’s und Wastl’s“ ins Leben gerufen. Unter der Marke gibt es Feines wie Gulasch oder Sugo vom Bio-Rind, aber auch vegane Köstlichkeiten wie Linseneintopf. Und das hat super funktioniert. Auch wenn Digitalisierung und vielleicht auch Robotisierung stark in die Hotellerie Einzug halten – Herzlichkeit und  Gastlichkeit sind der entscheidende Unterschied. Ein guter Gastgeber sein, das war und wird immer wichtig sein.

PM: Wir haben auch einen großen Gemüsegarten mit 17 Hochbeeten. Unsere Mama hat hier die Oberhoheit und baut saisonales Gemüse an. Rund um unsere Chalets gibt es kleine Gärten, aus denen sich unsere Gäste selbst mit frischen Kräutern, Erdbeeren, essbaren Blüten und vielem mehr versorgen können.

MM: Das alles ist ein erster Schritt. Wir sind sicher auf einem guten Weg. Das bestätigt auch das Ecolabel, das wir mit Stolz tragen. Und wir sind in der Gemeinschaft der Change Maker Hotels. Da geht es nicht nur um Nachhaltigkeit, sondern auch um fairen Umgang mit Mitarbeitern. Auch das ist wichtig. Die Dinge, die wir machen, wollen wir in Zukunft noch besser, noch nachhaltiger, noch grüner machen. Wir bleiben dran. Damit wir alle eine Chance auf eine gute, gesunde Zukunft haben.

Das Interview für THE Stylemate führte Julia Rinesch.

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