INNOCAD‘s Projekt für MAM Health & Innovation: 2022 Best of Year Award Honoree

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Das kürzlich fertiggestellte Forschungs- und Entwicklungszentrum für MAM Health & Innovation von INNOCAD architecture ist eines der honorierten Projekte des 2022 Best of Year Awards des amerikanischen Interior Design Magazins in der Kategorie „Medium Corporate Office“. Bei der Preisverleihung am 8. Dezember in New York wurden die relevantesten Projekte des Jahres 2022 in 53 Kategorien von Chefredakteurin Cindy Allen bekannt gegeben. Das Projekt bildet den ganzheitlichen Designansatz von INNOCAD und 13&9 Design ab und ist unter den Finalisten des THE PLAN Award 2022 sowie des World Architecture Festival Awards 2021 und erhielt eine Nominierung des Bauherrenpreis 2022. Im Interview mit Martin und Anastasija Lesjak wurde der holistische Ansatz dahinter besprochen.

Interview mit Anastasija und Martin Lesjak

Für die Schaffung eines nachhaltigen Raums wurde viel geforscht und getan. Was ist das Wesentliche an diesem ganzheitlichen Projekt in Bezug auf Architektur und Innenarchitektur?

Martin Lesjak: Im gesamten Entwurfsprozess haben wir unser Wissen zur Förderung des menschlichen Wohlbefindens unter Betrachtung von psychologischen, physiologischen, kognitiven und sozialen Bedürfnissen einfließen lassen. Die drei Gebäudevolumina interagieren mit der Topologie des Grundstücks und fügen sich sanft in die hügelige Landschaft des Burgenlandes ein. Die bewegliche Fassade mit ihren schimmernden, bronzefarbenen Lamellen und die begrünten Dächer tragen zur weiteren Einbettung in die Umgebung/Natur bei.

Bildcredit: Paul Ott

Das Forschungs- und Entwicklungszentrum besteht aus drei ineinandergreifenden Zylindern – was war die Inspiration für das Projekt?

Martin Lesjak: Der österreichische Babyartikel-Hersteller MAM gleicht als Unternehmen einem wachsenden Organismus, folglich soll dessen neues Kompetenzzentrum sich ebenso über die Jahre an den steigenden Platzbedarf anpassen. Dieser komplexen Aufgabenstellung des organischen Wachstums antwortet das architektonische Konzept mit dem Prinzip der Zellteilung. So spalten sich bis zum fünfteiligen Endausbau immer weitere kreisförmige, ineinandergreifende Baukörper ab, die mit ihren Vorgängern verbunden bleiben. Die „Nuclei“ als grünes Atrium der Zylinder lassen in Addition ein serpentinenartiges Raumgefüge entstehen.

Bildcredit: Paul Ott

Bei der Gestaltung des Raumes steht der Mensch im Mittelpunkt – wie haben Sie das umgesetzt?

Martin Lesjak: Das Zentrum jedes Baukörpers bildet ein zweigeschossiger Atrium-Wintergarten, der mit seinem glaushausartigen Dach und Bepflanzung den Mitarbeitern einen Hybrid aus Außen- sowie Innenraum bietet. Gleichzeitig gewährleistet dieser witterungsgeschützte Bereich eine natürliche Belichtung der tiefen Baukörper und eine räumliche Verbindung zwischen den Etagen. Rund um das Atrium sind die sogenannten Kernzonen mit Besprechungs- und Serviceflächen angeordnet, danach folgen offene Kommunikationsbereiche mit temporären Arbeitsmöglichkeiten. Die Arbeitsplätze und Fokusboxen für konzentriertes Arbeiten sind entlang der Fassade angeordnet.  Ein einziger Erschließungsring verbindet alle Gebäudeteile und schafft ein höchst effizientes System in Bezug auf Volumen und Bewegungsmuster.

Bildcredit: Paul Ott

Können Sie Ihren biophilen Ansatz für dieses Projekt zusammenfassen?

Martin Lesjak: Dieses holistische Projekt vereint die transdisziplinäre Arbeit unseres Teams in einem ganzheitlichen und humanistischen Designansatz, der durch jahrelange Analyse, Recherche sowie die transdisziplinäre Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Experten erarbeitet wurde. In Zusammenarbeit mit M.O.O.CON wurde durch intensive Kommunikation mit den Mitarbeitern ein optimales Raumprogramm entwickelt. Das Ergebnis ist ein demokratisches Gebäudekonzept, das jedem Mitarbeiter, egal wo er sich im Haus befindet, die gleiche räumliche Qualität sowie Zugang zu Tageslicht und Verbindung zur Natur ermöglicht. Die architektonische Gestaltung basiert auf den wissenschaftlich fundierten Strategien des Biophilic Design aus der von Terrapin Bright Green publizierten Studie „14 Patterns of Biophilic Design“. Diese lassen durch natürliche Materialien, dynamisches und diffuses Licht sowie einer optimierten Akustik in der Ganzheit einen fließenden organischen Lebens- und Handlungsraum entstehen.

Bildcredit: Paul Ott

Wie war Ihre Zusammenarbeit mit Prof. Richard Taylor und der Mohawk Group in Bezug auf die biophilen Designinterventionen bei diesem Projekt?

Anastasija Lesjak: Das Innenraumkonzept wirkt sich durch die vielfältigen Biophilie-Interventionen positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden aus. So unterstützen zum Beispiel die wissenschaftlich fundierten fraktalen Muster des textilen Bodens stress-reduzierende Mechanismen im Körper und die Dachgärten mit Outdoor-Arbeitsplätzen ermöglichen eine weitere Verbindung mit der Natur. Der Bodenbelag Relaxing Floors ist ein treffendes Exempel für diese Interventionen – als eine der größten Flächen im Raum sahen wir hier eine Möglichkeit mit großer Wirksamkeit. Unser Produktionspartner Mohawk Group war ein wichtiges Bindeglied an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Design und Produktentwicklung. Unser Team folgte einem innovativen Arbeitsprozess mit Wissenschaftlern und Psychologen von der University of Wales und der University of Oregon, um deren wissenschaftlichen Erkenntnisse in der gebauten Umgebung anzuwenden.

Bildcredit: The Renderers / Benedikt Haushofer

Erzählen Sie uns bitte von den neuen Produktanwendungen, den mit der Mohawk Group entwickelten Bodenfliesen, sowie den Akustikdeckenplatten für Fact Design? Sie sind inzwischen in vielen internationalen Projekten als Beispiel für wissenschaftsbasiertes, biophiles Design eingesetzt worden.

Anastasija Lesjak: Gemeinsam mit Dr. Richard Taylor, Dekan der Physikfakultät an der Universität Oregon und Leiter von Fractals Research, haben wir an neuen Anwendungen gearbeitet. Zum Beispiel an der Bodenbelagskollektion Fractal Fluency und den akustischen Decken- und Wandfliesen CALM, die beide offiziell auf der NeoCon in Chicago 2022 vorgestellt wurden. Die beiden Kollaborationen basieren auf dem Fractal-Fluency-Modell. Das Prinzip belegt, dass das menschliche Sehvermögen die visuelle Sprache der Natur – die Fraktale – fließend versteht und diese dazu beitragen Stress in der gebauten Umgebung zu reduzieren. Der Bodenbelag wurde zum Sustainability Winner der Nightingale Awards 2022 gekürt, der von der Fachzeitschrift Healthcare Design in Zusammenarbeit mit dem Center for Center for Health Design und der Healthcare Design Conference + Expo organisiert wird.

Bildcredit: Mohawk Group

Über 13&9’s ScienceDesignLab

Als Leiter der Konzept- und Produktentwicklung bei 13&9 haben Dr. med. Anastasija Lesjak und der Architekt Martin Lesjak mit ihrem Team Designstrategien umgesetzt, die auf der wissenschaftlich fundierten Analyse von stressreduzierenden Konzepten im Raum beruhen. Einer ihrer Schwerpunkte ist die Erforschung der Wahrnehmung und der Wirkung von bestimmten Mustern, die in der Natur vorkommen. Diese Muster sind in der gebauten Umwelt von großer Bedeutung – dort hat der Mensch wenig, bis gar keinen Zugang zur Natur. Aus diesem wissenschaftlichen Interesse heraus entstand die Zusammenarbeit mit einem der führenden Wissenschaftler und Physiker auf diesem Gebiet, Professor Richard Taylor von der University of Oregon und dem Fractals Research Laboratory (USA). Diese Kollaboration, genannt Science Design Lab, hat einen neuen disziplinübergreifenden Ansatz hervorgebracht, der in zahlreiche Einladungen zu Vorträgen, verschiedene Auszeichnungen, Erwähnungen in der Presse resultierte. Die Zusammenarbeit wurde 2021 auf dem Titelblatt der amerikanische Fachzeitschrift Nonlinear Dynamics, Psychology, and Life Sciences veröffentlicht und in der Datenbank PubMed Health sowie dem Magazin The Journal of Sustainability publiziert. Im gleichen Jahr erschien auch die wissenschaftliche Arbeit „Aesthetics and Psychological Effects of Fractal Based Design“ auf der Plattform Frontiers in Psychology, deren Schwerpunkt auf Studien zu psychologischen Prozessen beim Aufeinandertreffen von Menschen mit der gebauten und natürlichen Umgebung liegt.