Ein Kokon im Beton

Das Ikoyi Restaurant in London gehört mittlerweile zu den 50 besten Restaurants der Welt. Nun hat es ein neues Zuhause im Herzen der Stadt gefunden, das von Stardesigner David Thulstrup gestaltet wurde.

London, Trafalgar Square. Von hier aus führt The Strand bis zum Temple Bar, der Grenze zwischen den Bezirken City of London und City of Westminster. Eigentlich heißt die Straße ja nur Strand, das „The“ davor hat sich allerdings nicht nur bei Einheimischen mittlerweile etabliert.

Hier schieben sich Autos und Busse ebenso weiter wie Menschen auf den Gehsteigen, Touristinnen und Touristen genauso wie Einheimische. The Strand ist immer „busy“. Und genau dort, genauer gesagt an der Hausnummer 180, im Erdgeschoss eines brutalistischen Baus, befindet sich das Restaurant Ikoyi.

Die Vision

Erst Ende des Jahres 2022 fand der Umzug in die Räumlichkeiten statt. Das Ikoyi beeindruckt seitdem nicht nur gastronomisch, sondern auch architektonisch. Kein Wunder, wurde das Interieur doch vom dänischen Architekten David Thulstrup entworfen, der bereits das Michelin-Restaurant Noma in Kopenhagen eingerichtet hat.

Gerade, weil der Betonbau in 180 The Strand so kühl und unaufgeregt wirkt, war die Einrichtung für den Designer eine spannende Herausforderung. Seine Vision: Das Restaurant und sein Interieur sollten den Brutalismus des Gebäudes aufgreifen, aber trotzdem ein Gefühl von Wärme ausstrahlen.

„Für mich geht es hier sehr stark um den Ortssinn, denn wir sind in einem Brutalisten-Gebäude im pulsierenden Herzen Londons, einer multikulturellen Stadt, in einem Restaurant mit einer hochentwickelten Küche, die auf britischer Saisonalität und intensiven Gewürzen basiert“, erklärt Thulstrup. „Diese Intensität, Wärme und kulturelle Ambiguität waren die treibende Kraft der Inspiration“, so der Architekt.

Ich dachte, es wäre eine moderne Interpretation, um ein Bewusstsein für die Lebensmittel zu schaffen.

David Thulstrup

Zum Ursprung

Wirft man einen Blick in das Restaurant, sticht einem gleich der kupferverkleidete Kühlschrank ins Auge: Er ist gefüllt mit frischem Fleisch und Fisch, der an Haken hängt. Thlustrup wollte, dass die Gäste daran erinnert werden, woher die Lebensmittel kommen.

„Die Idee war, dass wir wissen, woher ein Stück Fisch kommt, und dass wir wissen, wie ein Stück Fleisch aussieht“, sagte er. „Ich dachte, es wäre eine moderne Interpretation, um ein Bewusstsein für die Lebensmittel zu schaffen“.

Ein Kokon

Bewegt man sich weiter, entdeckt man die Wände aus oxidiertem Kupfer, mit Bienenwachs bearbeitet. Und die Holztische. Denn die sind so im Raum platziert, dass Besucher möglichst viel Privatsphäre genießen. Sie wurden aus britischem Eichenholz hergestellt, während die Sitzmöbel mit rotbraunem Leder überzogen sind.

Die Stimmung im Lokal ist mit diesen Elementen bewusst warmgehalten; die Lichter erstrahlen – mit einem Metallnetz abgedeckt – gedämpft. Diese Kombination aus Licht und Kupfer lässt Thulstrup eine Atmosphäre schaffen wie in einem Kokon: Ein Ort, an dem man sich geschützt und sicher fühlt.

Restaurant Ikoyi

Die Karte

Wollte man das Interieur in drei Worten beschreiben, würde man sich wahrscheinlich für „gemütlich, freundlich und feinsinnig“ entscheiden. Und so wie sich die Räumlichkeiten verändert haben, hat sich auch die Speisekarte verändert. Mit neuen Gewürzen und Geschmacksrichtungen gehen die Gründer Jeremy Chan und Iré Hassan-Odukale einen Schritt weiter.

Dabei verwendet Chefkoch Chan hochwertige Bio-Produkte, wie Fisch und Rind von den Britischen Inseln, die er mit westafrikanischen Gewürzen kombiniert, um Gerichte zu kreieren, die ebenso einzigartig und kreativ wie kühn und ausgewogen sind. So findet man auf der Speisekarte neben Jakobsmuscheln von den schottischen Orkney-Inseln beispielsweise auch Jollof, ein traditionelles Reisgericht aus Ghana, Gambia und dem Senegal.

Und genau das ist wichtig, wenn wir über das Innenleben des Restaurants sprechen, denn die britische Saisonalität und die Gewürze der westafrikanischen Küche wollte Thulstrup in das Design integrieren. Keine leichte Aufgabe, denn er musste eine harmonische Kombination aus Farben und Materialien finden, die die Gäste auf eine kulinarische Reise begleiten würde.

Mit minimalistischer Formsprache und einer Kombination von traditionellen und modernen Elementen wollte der Architekt eine einladende Atmosphäre schaffen. Einen Ort, an dem Gäste kulturelle Vielfalt spüren, ohne dabei an eine bestimmte Kultur erinnert zu werden.

Alles stimmt

Neben der Funktionalität soll das Ikoyi einladend bleiben. Und natürlich kulinarisch ein einzigartiges Erlebnis bieten. Ein Verdienst der beiden Gründer, die sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen wollen, und des Architekten, in dem sie einen verwandten Geist gefunden haben.

Und man wundert sich nicht, dass das Restaurant mitten in London zu den 50 besten Restaurants der Welt gehört. Denn hier stimmt einfach alles. Angefangen bei der Speisekarte bis zur Kupferwand.

Text: Resi Reiner
Bilder:
Irina Boersma