Die Kunstkammer: Sammlung der Wunder // Auktionshaus im Kinsky

Kunstkammer

In der großen Sommerauktion hat das imKinsky eine wundervolle Rarität zu bieten: eine zum Teil museale Sammlung an Kunstkammer-Objekten. Die Bedeutung dieser Wunderkammern führt uns in die große Zeitenwende der Renaissance…

Das Erwachen

Um die Wende des fünfzehnten Jahrhunderts ereignet sich etwas sehr Merkwürdiges. Der Mensch, bisher in dumpfer andächtiger Gebundenheit den Geheimnissen Gottes, der Ewigkeit und seiner eigenen Seele hingegeben, schlägt die Augen auf und blickt um sich.

So schreibt Egon Friedell in seiner „Kulturgeschichte der Neuzeit“.

Der Mensch bemerkt, dass er Verstand hat … und damit will er die Gesetze der Natur und der Kunst verstehen, die sich in der Kunstkammer so wunderbar ergänzen.

Hier wurden Elfenbein, Ebenholz, Achat, Koralle, Silber und Bernstein ausgestellt, kostbare Automaten, Erzeugnisse aus fernen Welten und exquisite Kunstwerke. Was auch immer als Wunder gesehen werden konnte, es wurde von den Fürsten und vermögenden Bürgerlichen gesammelt. Trotzdem war es nicht ein zusammengewürfeltes Sammelsurium – denn gerade die Vielfalt der Sammlung zeugte auch von der Vielfalt der Natur und unserer Welt.

Thematische Vielfalt

Themen waren Tod und Leben (siehe die Memento Mori Totenköpfe der Auktion), die vier Jahreszeiten, die vier Elemente, die Planeten, die Pflanzen-und Tierwelt. Die Sammler teilten ihre Schätze in verschiedene Kategorien ein: Die Kategorie der Naturalia entspricht den Schöpfungen Gottes, jene der Arteficialia der Kunstfertigkeit des Menschen. Dann gab es Scientifica (wissenschaftliche Instrumente) und Exotica (aus fernen Ländern Gesammeltes als Einteilung), die Grenze ist fließend. Es ging um das Neue, Ungewohnte: Das 16. Jahrhundert wird oft als Zeitalter des Staunens beschrieben. Passend dazu brachten die Entdeckungsfahrten des 15.-17. Jahrhunderts wundersame, unbekannte Schätze nach Europa.

In jedem Fall waren die Objekte wertvolle Raritäten mit vielen Bedeutungsebenen. Dies wird am Beispiel des Kokosnusspokals deutlich: die Kokosnuss galt nicht nur als Naturalia, sondern auch als Exotica, durch die kunstvolle Fassung konnte sie aber auch der Arteficialia zugeordnet werden. Außerdem hatte der Pokal natürlich eine Funktion als Trinkgefäß, und die Kokosnuss galt in der Medizin als Allheilmittel. Auch in der kommenden Sommerauktion gelangt ein derartiger Pokal zur Versteigerung.

Vom Sehen und Herzeigen

Eine gut gefüllte Kunstkammer diente aber nicht nur dem Staunen, sondern selbstverständlich auch der Repräsentation. In Österreich geht der Name »Kunst- und Wunderkammer« auf die Ambraser Sammlung Erzherzog Ferdinands II. (1529-1595) zurück. Bereits im 16. Jahrhundert galt sie als eine der bedeutendsten ihrer Art. Sie ist die einzige Kunstkammer der Renaissance, die sich noch immer in den für sie errichteten Gebäuden befindet. In ihr ist uns auch der Großteil der noch erhaltenen Stücke aus den älteren Sammlungen der Kaiser Friedrich III., Maximilian I. und Ferdinand I. überliefert.

Eine repräsentative Kunstkammer ist etwa das historische Grüne Gewölbe in Dresden, das eine visuelle Zeitreise in das Barock bietet. Bereits 1724 waren die Räume des Grünen Gewölbes für ein exklusives Publikum öffentlich zugänglich – schon damals nur in kleinen Gruppen und, so der Wunsch des Königs, „mit sauberer Kleidung“.

Kunstkammer

Der Maßstab der Rationalität

Im Laufe der Zeit entsprachen die Wunderkammern aber nicht mehr den neuen Maßstäben von Rationalität. Rene Descartes schrieb bereits am Anfang des 17. Jahrhunderts, dass ein Zuviel an Verwunderung negativ sein könne, da es den Gebrauch des Verstandes verhindere oder pervertiere. So wurden die Kammern schließlich von den nach Sparten getrennten Museen abgelöst; die Artefakte dort lassen uns aber nach wie vor staunen.

Text: Alexandra Markl