Wie die Architektur mit „Adaptive Reuse“ neue Bedeutung schafft
Wenn Gebäude ihre ursprüngliche Funktion verlieren, steht oft der Abriss bevor. Doch was, wenn darin die Chance liegt, ihnen neues Leben einzuhauchen? Adaptive Reuse nennt sich das architektonische Konzept, das Bestehendes bewahrt und es mit Feingefühl transformiert. Von der Kirche zum Schwimmbad, vom Labor zum Modehauptquartier – diese Projekte erzählen Geschichten von Wandel, Erinnerung und Zukunft.
HUANGYAN QUARRY CULTURAL & ART CENTER
DnA Design and Architecture | 2024 | Jinyun, China
Vorher: Steinbruch | Jetzt: Kunst- und Kulturzentrum

Jahrhundertelang wurde in der bergigen Jinyun-Region Stein abgebaut. Aus der Naturgewalt entstand eine eindrucksvolle Landschaft aus Höhlen und unterirdischen Seen. Heute verwandelt sich diese Kulisse in ein Kunst- und Kulturzentrum auf über 20.000 m².
Der Eingriff in die Natur blieb minimal: Holzgeflecht-Brücken verbinden die Räume, Boote gleiten über türkisblaues Wasser, und in den Felswänden entstanden Galerien und ein Café. Die bis zu 38 Meter hohen Höhlen mit ihren gelblich schimmernden Wänden dienen nun als natürliche Konzertsäle – Orte, an denen die Akustik ebenso beeindruckt wie die Stille.


Fotos: Wang Ziling
ACNE STUDIOS HEADQUARTER PARIS
Halleroed | 2025 | Paris, Frankreich
Vorher: Labor einer pharmazeutischen Kosmetikmarke | Jetzt: Headquarter eines Modelabels

In einem Pariser Stadtpalais aus den 1930er-Jahren, einst Laboratorium für Kräuter-Tinkturen und Öle, hat Acne Studios ein neues Zuhause gefunden. Creative Director Jonny Johannsson und das schwedische Designstudio Halleroed bewahrten die goldenen Stuckverzierungen, Holzvertäfelungen und Parkettböden – und kombinierten sie mit zeitgenössischen Möbeln und Kunst.
Zwischen rohem Beton, rosa Vinylsofas von Max Lamb und einer industriellen Edelstahlküche entsteht ein Dialog zwischen Alt und Neu, zwischen Pragmatik und Poesie. Ein Sinnbild dafür, wie Adaptive Reuse nicht nur Raum, sondern auch Identität transformiert.


Fotos: Acne Studios / Benoit Florençon
HEERLEN HOLY WATER
MVRDV & Zecc Architecten | 2027 | Heerlen, Niederlande
Vorher: Kirche | Jetzt: Öffentliches Schwimmbad

Wenn aus einer Kirche ein Schwimmbad wird, bekommt der Begriff heiliges Wasser eine neue Bedeutung. In der 100 Jahre alten Sint-Franciscus van Assisiëkerk entsteht ein öffentlicher Ort der Begegnung, der Spiritualität und Bewegung verbindet.
Das Kirchenschiff wird bis zur Eröffnung 2027 geflutet sein. Die Kanzel wird zum Platz des Bademeisters, die Kirchenbänke finden am Beckenrand neuen Halt. Bei niedrigem Wasserstand verwandelt sich der Raum in eine Bühne für kulturelle Veranstaltungen. Zwischen Spiegelungen und Wasserflächen entsteht eine Atmosphäre, die das Sakrale mit dem Alltäglichen versöhnt.


Fotos: MVRDV
AMASSA RETREAT
Bindloss Dawes | 2025 | Gascogne, Frankreich
Vorher: Bauernhaus | Jetzt: Wellbeing Retreat

In der stillen Hügellandschaft Südwestfrankreichs fand ein verfallenes Bauernhaus seine neue Bestimmung: ein Ort für Achtsamkeit und Einkehr. Das Ensemble aus Haupthaus, Bäckerei und Traktorschuppen wurde behutsam renoviert – mit Respekt für die Patina der Vergangenheit und der Klarheit moderner Architektur.
Herzstück ist die 300 Jahre alte Scheune, deren zehn Meter hohe Räume heute für Yoga und Meditation genutzt werden. Eine Betonkonstruktion stabilisiert das alte Gebälk und schafft zugleich eine Plattform – eine Bühne für Ruhe, Balance und Bewusstsein.


Fotos: Ellen Christina Hancock, Bindloss Dawes Architect
Adaptive Reuse ist mehr als ein architektonischer Trend – es ist eine Haltung. Sie verbindet Vergangenheit und Gegenwart, ohne das eine zugunsten des anderen aufzugeben. Zwischen Erinnerung und Neuerfindung entstehen Räume, die Geschichten weitertragen – nicht als Kopie, sondern als Fortsetzung.







