Wenn Kabelbinder zum Atmen gebracht werden – Ein Blick auf Bio Morphe in Houston
In der Ausstellung Bio Morphe im Moody Center for the Arts in Houston entfaltet Sui Park eine choreografierte Verschränkung von Innen- und Außenraum: Ihre aus Kabelbindern gesponnenen Skulpturen tanzen entlang Böden, Wände und Fassaden – organisch, technisch, anmutig.
Die Stofflichkeit des Plastik-Traums
Sui Park arbeitet mit ready-made materials – vor allem Kabelbindern (zip ties) –, weil sie in ihnen ein Transformationspotenzial sieht. In ihren Händen werden sie zu einem poetischen Gewebe: geknotet, gebogen, verflochten – strukturell tragfähig und zugleich transparenter Körper zugleich. Ihre Formensprache balanciert zwischen dem Fantastischen und dem Vertrauten, ähnlich wie Arbeiten von Ruth Asawa oder Gego.
Neuere Serien zeigen, dass sie ihre Farbpalette erweitert: zarte Nuancen, feine Farbübergänge, mit Subtilität eingefärbtes Material. So gewinnt das ehemals harte, industrielle Plastik eine atmosphärische Tiefe.
Bio Morphe – Der Ausstellungsraum als Gefäß
Die Ausstellung Bio Morphe läuft von 5. September bis 20. Dezember 2025 im Moody Center for the Arts (Rice University, Houston).
Kuratorin Frauke V. Josenhans versammelt sieben internationale Künstlerinnen und Künstler, die in ihren Arbeiten natürliche Formen mit technologischem Material verhandeln – ein zentraler Diskurs zwischen Körper, Natur und Industrie.
Park steuert zur Ausstellung beides bei: eine Außenkommission und Inneninstallationen aus ihrer Microcosm-Serie – Modulstrukturen, die den Raum wie lebendige Netze füllen.
Eine Besonderheit war ein Künstlergespräch (Artist Panel) am 6. September, gemeinsam mit Eva Fábregas und Lucy Kim, moderiert von Josenhans, bei dem über Biologie, Materialwissenschaft und Technologiedialoge diskutiert wurde.
In Bio Morphe werden Sui Parks Werke oft zusammen mit Installationen anderer Künstler in Beziehung gesetzt – etwa die „fuzzy cell“-artigen Module, die sich über Wände, Böden und Fassaden ausbreiten, vergleichbar mit wachsenden Mikroorganismen.
Eine Skulptur der Zwischenräume
Park erzählt keine statischen Objekte, sondern Räume zwischen Objekten. Ihre Arbeiten oszillieren zwischen Körper und Linie, Dichte und Leere, Fokus und Schatten. In Bio Morphe wirken ihre Module, als würden sie sich selbst vervielfältigen – ein leises Flüstern von Wachstum.
“Her dexterous fingers knot and bend the material to create a weave that’s architectural enough to be self-supporting.”
In der Ausstellung begegnen wir Skulpturen, die über unsere Köpfe hängen, wie Gedankenfetzen, aber auch solche, die den Boden überziehen, als hätte die Struktur eines Zellgewebes die Architektur erobert.
Bedeutung und Perspektive
Sui Park setzt einen Kontrapunkt zu üblichen Vorstellungen von Plastik und Industrie: Indem sie Kabelbinder in lebendige Form übersetzt, öffnet sie eine neue Wahrnehmungsebene. Das banale Material gewinnt eine metaphysische Dimension.
Bio Morphe demonstriert, wie ihre Formen im Dialog mit Raum und Kontext wirken. Ihre Arbeit stellt Fragen: Wie interagiert Technologie mit Lebendigem? Wie transformiert sich das Gewöhnliche, wenn man ihm Zeit und Aufmerksamkeit schenkt?