Wie der indigene Künstler die Grenzen von Handwerk, Politik und Schönheit neu definiert
Im ländlichen Bundesstaat New York arbeitet Jeffrey Gibson an einer Kunst, die Grenzen sprengt – zwischen Handwerk und High Art, Tradition und Zukunft, Intimität und kollektiver Erfahrung. Der Choctaw- und Cherokee-Künstler gilt als eine der Schlüsselfiguren des Indigenous Futurism: einer Bewegung, die alte Wissensformen mit neuen Technologien und spekulativen Visionen verbindet.
Als erster indigener Künstler, der die Vereinigten Staaten bei der 68. Biennale von Venedig 2024 vertreten hat, setzt Gibson ein kraftvolles Zeichen:
„Indigenous culture doesn’t end at the border of the reservation … it is entitled to move around the world freely.“
Politische Farbe, sinnliches Material
Gibson nutzt Farbe als Widerstand, Form als Sprache. Seine Arbeiten verweben traditionelle Handwerkstechniken – Perlenstickerei, Lederbearbeitung, Quilting, Schildermalerei – mit der visuellen Sprache der Gegenwartskunst. Das Ergebnis ist eine vibrierende Fusion aus Identität, Protest und Schönheit.
„Untitled Figure 2 is made up of thousands of bone pipe beads… it’s meant to disarm presumptions about what native identity looks like.“
Diese Skulptur, Untitled Figure 2 (2022), wurde kürzlich von der National Gallery of Australia erworben und steht exemplarisch für Gibsons Ansatz: Das Werk fasziniert durch seine haptische Anziehungskraft und bricht zugleich stereotype Vorstellungen indigener Identität auf.
Ein Studio als Resonanzraum
Gibson arbeitet in einem ehemaligen Schulhaus im Hudson Valley, das er in ein kreatives Labor verwandelt hat. Dort entstehen Arbeiten, die sich bewusst zwischen kulturellen Kategorien bewegen – zwischen Queerness und Indigenität, zwischen Erinnerung und Utopie.
Der Film In Practice: Jeffrey Gibson, inszeniert von Sean Frank, begleitet den Künstler bei seiner Arbeit und lässt Einblicke in seine Methode zu – ein Prozess des Reclaiming und Reframing, der Kunst zu einem Akt der Selbstbestimmung macht.
Kunst als Brücke
In Gibsons Praxis wird Kunst zum politischen Werkzeug, aber auch zur Brücke: Sie verbindet Vergangenheit mit Gegenwart, das Private mit dem Kollektiven, das Körperliche mit dem Spirituellen.
So entsteht eine Form von zeitgenössischer Poesie – laut, farbig, verletzlich und frei.